Die Wahrheit über das Gesetz der Anziehung
Das Gesetz der Anziehung führt dazu, dass Menschen Luftschlösser bauen, ihren Hintern nicht hochkriegen oder sich Dinge schön reden, die sie sich nicht schön reden sollten.
Ich werde mir mit diesem Artikel sicherlich ein paar Feinde machen, aber egal. Es gibt Dinge, die müssen gesagt werden.
Bevor du mich jedoch gleich bei Facebook zur Sau machst und postest, was für ein engstirniger Idiot ich bin, lass mich noch etwas klarstellen:
Das Gesetz der Anziehung kann auf verschiedene Arten und Weisen interpretiert werden.
Ich glaube nicht an das Gesetz der Anziehung. Doch ich glaube daran, dass uns Menschen tendenziell so behandeln, wie wir sie behandeln.
Ich habe in den verschiedensten Ländern immer wieder die Erfahrung gemacht, dass wenn wir zu anderen Menschen freundlich, gerecht und ehrlich sind, die meisten (nicht alle!) auch freundlich, gerecht und ehrlich zu uns sein werden.
Außerdem ist es so, dass wir uns generell zu ähnlichen Menschen hingezogen fühlen.
Wir fühlen uns also zu Menschen hingezogen, die ähnliche Einstellungen, Werte, Erwartungen, Interessen und soziale wie kommunikative Fähigkeiten haben wie wir selbst.1 Auch führen wir mit ähnlichen Menschen bessere Beziehungen.2
Das ist einer der Gründe, warum ich in meinem Buch Die Kunst des ehrlichen Datings erkläre, dass du die Eigenschaften, die du dir an einem Partner wünschst, zuerst an dir selbst kultivieren solltest.
Wenn du also ein ehrlicher, liebevoller und emotional stabiler Mensch bist, wirst du viel eher einen ehrlichen, liebevollen und emotional stabilen Partner anziehen.
All das hat für mich nichts mit dem „Gesetz der Anziehung“ zu tun. Falls du es als solches bezeichnest, dann sind wir einer Meinung, benutzen dafür nur andere Begriffe.
Da das nun vom Tisch ist, möchte ich dir erklären, warum das „Gesetz der Anziehung“ Bullshit ist und wie es Menschen schadet.
Die wichtigsten Punkte dieses Artikels kannst du dir auch in diesem Video anschauen:
Was besagt das “Gesetz der Anziehung“?
Das „Gesetz der Anziehung“ besagt letztendlich nichts anderes, als dass deine Gedanken deine Realität formen.
Wenn du also an das denkst, was du willst, wirst du das bekommen, was du willst. Und wenn du an das denkst, was du nicht willst, wirst du das bekommen, was du nicht willst.
Simpler ausgedrückt: Positive Gedanken ziehen Positives an und negative Gedanken ziehen Negatives an.
In populären Büchern über das Thema wie „The Secret“ oder „Wünschen und bekommen“ wird deshalb erklärt, dass das Universum dir all deine Wünsche erfüllen wird, wenn du ihm nur die richtigen Gedanken schickst.
Wenn du dir etwas wünschst, sollst du es dir bildlich vorstellen, vollkommen in das Gefühl eintauchen und diesen Wunsch dann ans Universum schicken. Und das liebe Universum wird dann Wege finden, dir deinen Wunsch zu erfüllen.
Hast du heute schon deine Bestellung an das Universum gemacht?
Wenn du dir also vorstellst, dass du reich und erfolgreich sein wirst, wird das Universum dafür sorgen, dass du reich und erfolgreich wirst. Wenn du dir vorstellst, wie du den perfekten Partner findest, wird das Universum dir den perfekten Partner schicken. Und wenn du dir vorstellst, wie du schlank und sexy bist, wird das Universum dafür sorgen, dass die Kalorien von McDonalds, Käsekuchen und XXL Mocca Frappuccinos bei dir nicht ansetzen.
Oder so was in der Richtung.
Angebliche Beweise für das „Gesetz der Anziehung“
Verfechter des Gesetzes der Anziehung beziehen sich oftmals auf Prominente – Sportler, Schauspieler und Sänger – die dank der Magie des Universums erfolgreich geworden sind.
Es wird dann erklärt, dass diese Menschen ihren Erfolg „visualisiert“ haben. Sie haben sich also bildlich ausgemalt, was sie erreichen wollen, und haben diese positiven Gedanken dann an das Universum geschickt.
Diese Beweisführung hat jedoch zwei Probleme.
Problem #1: Ursache und Wirkung
Das erste Problem ist, dass keiner beweisen kann, dass das „Visualisieren“ wirklich zum Erfolg geführt hat.
Nehmen wir an, ein Fußballer hat in der zweiten Halbzeit das Siegtor geschossen. Als er nach dem Spiel interviewt wird, sagt er, dass er in der Halbzeitpause visualisiert habe, wie er das Tor schießen würde.
Verfechter des Gesetzes der Anziehung werden jetzt behaupten, dass der Fußballer durch seine positiven Gedanken das Siegtor „angezogen“ hat.
Doch der springende Punkt ist der: Vielleicht hätte der Fußballer das Tor genauso geschossen, hätte er es nicht visualisiert. Vielleicht hätte er dann sogar zwei oder drei geschossen, wer weiß.
Wahrscheinlich ist es dir schon mal passiert, dass du auf Parkplatzsuche warst und in dem Moment, in dem du dir einen Parkplatz gewünscht hast, plötzlich einer frei wurde.
Das Gesetz der Anziehung! Es funktioniert! – denkst du dir.
Doch hast du nicht auch all die Male, an denen du nicht an einen Parkplatz gedacht hast, früher oder späten auch einen gefunden? Eben.
Ich hatte eigentlich nur einen Parkplatz visualisiert. Den Porsche hat das Universum einfach so dazu geliefert.
Laut dem Gesetz der Anziehung ist das Visualisieren unheimlich wichtig und ein Garant für Erfolg.
Und in manchen Fällen ist positives Visualisieren sicherlich hilfreich. Wenn ich zum Beispiel auf einem Seminar sprechen soll, dann stelle ich mir vorher vor, wie mein Vortrag super wird und das Publikum mich toll findet. Diese Vorstellung entspannt mich und gibt mir Selbstvertrauen.
Doch das heißt noch lange nicht, dass Visualisieren immer sinnvoll ist oder automatisch zum Erfolg führt.
Dir vorzustellen, wie du ein Ziel schon erreicht hast, führt nämlich dazu, dass du weniger motiviert bist, es auch wirklich zu verfolgen.3
Laut Psychologen liegt das daran, dass durch das Visualisieren unser Gehirn glaubt, wir haben unser Ziel schon erreicht – und wir dadurch weniger motiviert sind, etwas dafür zu tun.
Je mehr du dir also ausmalst, dass du deine Ziele schon erreicht hast, desto weniger Motivation verspürst du, auch wirklich etwas dafür zu tun.
Ich weiß nicht, wie es dir geht, doch ich habe diesen Effekt schon einige Male sehr deutlich gespürt.
Problem #2: Es wird nur darüber berichtet, wenn das Gesetz der Anziehung funktioniert
Der zweite Problem an der Beweisführung des Gesetzes der Anziehung ist, dass keiner darüber berichtet, wenn es nicht funktioniert.
Kein Fußballer wird behaupten, dass er kein Tor geschossen hat, obwohl er es visualisiert hat.
Genauso wenig werden die Medien über Menschen berichten, die zwar an das Gesetz der Anziehung glauben, aber damit nicht erfolgreich geworden sind.
Heute zu Gast bei Markus Lanz: Anne Müller. Trotz ihres ungebrochenen Glaubens an das Gesetz der Anziehung ist seit 5 Jahren keiner ihrer Träume in Erfüllung gegangen. Anne, erzähle uns doch bitte mehr über dich und deine Geschichte …
Im Jahr 1997 war Schauspieler Jim Carey in der Talkshow von Oprah Winfrey.
In der Show erklärte er, wie er sich vor seinem Durchbruch selbst einen Check über 5 Millionen Dollar für „schauspielerische Leistungen“ ausgestellt hat. Das sollte ihm beim Visualisieren helfen.4
Dann erklärte er, wie er keine drei Jahre später 10 Millionen Dollar mit dem Film „Dumm und Dümmer“ verdient hat.
Er hat also 5 Millionen Dollar visualisiert und dann sogar doppelt so viel verdient! Das Publikum tobt und unter lautem Beifall erklärt Oprah, dass „Visualisieren“ funktioniert.
Was für ein imposanter Beweis!
Machen wir nun einen Zeitsprung.
Im September 2015 nahm sich die Freundin von Jim Carrey – Cathriona White – das Leben.
Deren Mutter ist nun vor Gericht gezogen und beschuldigt Jim Carrey der Mitschuld am Tod ihrer Tochter. Er habe ihr angeblich nicht nur die Tabletten besorgt, die zu ihrem Suizid geführt haben, sondern sie auch regelrecht in den Selbstmord getrieben.5
Und jetzt?
Das Gesetz der Anziehung besagt schließlich nicht nur, dass wir durch positive Gedanken Positives anziehen, sondern auch, dass wir durch negative Gedanken Negatives anziehen.
Hat der erfolgreiche „Visualisierer“ Jim Carey also die Kontrolle über seine Gedanken verloren? Hat er den Suizid seiner damaligen Freundin visualisiert? Und selbst falls ihn keine Schuld an dem Tod seine Freundin trifft, hat er trotzdem die Anklage deren Mutter gedanklich herbeigewünscht?
Ich glaube kaum, dass Oprah Winfrey ihn dazu befragen möchte und mit ihm noch mal über das Ganze sprechen will.
Warum das Gesetz der Anziehung Bullshit ist
Das Gesetz der Anziehung besagt, dass wir durch unsere Gedanken unsere Realität kreieren.
Sportler visualisieren ihre Siege. Schauspieler ihren Erfolg. Und Lisa Müller ihren Traumpartner.
Doch wenn die Dinge schief gehen, wenn Tragödien passieren und wenn Menschen sterben kommt die Logik hinter dem Gesetz der Anziehung gehörig ins Straucheln.
Und dann möchte keiner mehr über das Gesetz der Anziehung sprechen.
Wir haben eben das Beispiel des Schauspielers Jim Carey gesehen. Vermutlich wird ihn keiner mehr bezüglich des Gesetzes der Anziehung interviewen.
Doch mal abgesehen davon: Würdest du persönlich Kriegswaisen aus Syrien, hungernden Kindern aus dritte Welt Ländern, Vergewaltigungsopfer oder krebskranken Menschen erklären, dass sie durch ihre negativen Gedanken ihr Unheil angezogen haben?
Ihr hungernden Kinder in Afrika solltet einfach mal ein wenig mehr Essen visualisieren! Das Universum kümmert sich dann schon darum …
Laut der Logik des Gesetzes der Anziehung sind diese Menschen selbst an ihrem Elend schuld. Sie sind in einer misslichen Lage, weil sie zu viele negative Gedanken an das Universum geschickt haben.
Doch zu behaupten, dass Menschen in Not ihr Leid durch negative Gedanken angezogen haben, ist nicht nur äußerst ignorant, ist es schlichtweg nicht wahr.
Mehr zum Thema „Negative Gedanken loswerden“ findest du hier.
Studien haben zum Beispiel gezeigt, dass krebskranke Menschen weder durch ihre Persönlichkeit ihre Krankheit angezogen haben,6 noch dass ihr emotionales Wohlbefinden („bleibe positiv“) einen Einfluss auf den Verlauf der Krankheit oder deren Heilungschancen hat.7
Leider erkranken auch „gute Menschen“ mit positiven Gedanken an Krebs.
Ich bezweifle außerdem sehr, dass Frauen oder Kinder, die Opfer einer Vergewaltigung geworden sind, diese mit ihren negativen Gedanken angezogen haben.
Oder wie siehst du das?
Unsere Gedanken haben einen großen Einfluss auf unser Leben. Doch es ist ignorant und gefährlich zu behaupten, dass unsere Gedanken für alles in unserem Leben verantwortlich sind.
Unsere Gedanken sind wichtig. Aber sie bestimmen nicht zu 100% über unser Leben.
Das Leben ist zu komplex, um es alleine mit der Kraft des Universums, positive Gedanken und dem Visualisieren zu erklären.
Manchmal widerfahren Menschen Wunder. Manchmal Tragödien. Doch das hat nicht immer mit ihren Gedanken zu tun.
Wir können nicht alles Negative im Leben allein durch „positive Gedanken“ vermeiden. Und genauso wenig ziehen wir jedes Unheil durch unsere negativen Gedanken an.
Wie dir das Gesetz der Anziehung schadet
Das Gesetz der Anziehung führt oftmals dazu, dass Menschen ihren Hintern nicht hochkriegen.
Zwei Freunde von mir wollen sich seit Langem mit einem online Business selbstständig machen.
Vor zwei Jahren waren sie beide von der Magie des Universums überzeugt. Sie glaubten damals, dass wenn sie sich erst im Inneren reich fühlen würden, der äußere Reichtum automatisch folgen würde.
Beide hatten damals relativ wenig Geld. Der Glaube an das Gesetz der Anziehung bewegte sie trotzdem dazu, in noblen Restaurants essen zu gehen, sich für fast 1000€ neue Klamotten zu kaufen und sich eine Luxuswohnung anzuschauen, die ein paar Millionen Euro kosten sollte.
Wieso?
Um ein „inneres Reichtumsgefühl“ zu entwickeln und dadurch automatisch Geld anzuziehen.
Sie glaubten, dass, wenn sie sich erst innerlich reich fühlen und genug Reichtumsgedanken entwickeln, das Universum dafür sorgen würde, dass sie auch reich werden.
Mal abgesehen davon, dass sie Geld ausgaben, welches sie nicht wirklich hatten und die Zeit der Immobilienmakler verschwendeten, hielt sie all der Blödsinn davon ab, wirklich was für ihr Business zu machen.
Und das ist der springende Punkt.
Das Gesetz der Anziehung führt häufig dazu, dass Menschen träumen, visualisieren und positive Gedanken an das Universum schicken, anstatt die Dinge zu tun, die sie wirklich weiterbringen.
Für meinen Erfolg etwas tun? So ein Quatsch! Ich visualisiere ihn einfach!
Als ich vor über vier Jahren mit meinem Blog angefangen habe, habe ich weder meinen Erfolg visualisiert noch habe ich Erfolgsgedanken an das Universum geschickt. Stattdessen habe ich gearbeitet. Und siehe da, seit über drei Jahren lebe ich von meinem online Business – und es wächst von Jahr zu Jahr.
Wenn du etwas in deinem Leben erreichen oder ändern möchtest, dann arbeite daran. Weniger visualisieren, weniger Magie des Universums, weniger Hokus-Pokus.
- Statt dich schlank zu denken, mache Sport und iss gesünder.
- Statt dir den Traumpartner zu visualisieren, lerne neue Menschen kennen.
- Statt zu erwarten, dass dich das Universum mit Reichtum belohnt, gehe arbeiten.
Doch dass Menschen ihren Hintern nicht hochkriegen und nicht an ihren Zielen arbeiten ist bei Weitem nicht das einzige Problem.
Das größere Problem ist, dass das Gesetz der Anziehung oftmals zu ungesunden Verhaltensweisen führt.
Das Gesetz der Anziehung führt zu ungesunden Verhaltensweisen
Das Gesetz der Anziehung besagt, dass du positiv denken musst und dich gut fühlen solltest, damit du auch Positives anziehst.
Das kann aber dazu führen, dass du dir Probleme schön redest und versuchst, alles „Negative“ zu vermeiden.
Sich alles schön zu reden und alles Negative auszublenden mag kurzfristig dazu führen, dass du dich gut fühlst, doch langfristig geht diese Strategie nach hinten los.
Blendest du alle Probleme oder alle Risiken in deinem Leben aus, kann das dazu führen, dass du riskante Entscheidungen triffst („es wird schon gut gehen“), Konflikte in deinen Beziehungen ignorierst, trotz Beschwerden nicht zum Arzt gehst oder persönliche Probleme unter den Tisch kehrst.
Vor Problemen die Augen zu verschließen bringt dich nicht weiter
Der springende Punkt ist der: Du wirst nicht glücklicher, in dem du alle Schwierigkeiten in deinem Leben vermeidest, sondern in dem du lernst, mit ihnen umzugehen.
Und das ist nicht immer ein „positiver“ Prozess.
Verstehe meine Kritik an dem Gesetz der Anziehung nicht falsch.
Sicherlich haben unsere Gedanken einen sehr großen Einfluss auf unser Leben. Und auch ergibt es wenig Sinn, alles negativ zu sehen oder immer nur an das zu denken, was du nicht willst. Du gehst ja schließlich auch nicht in ein Restaurant und erklärst dem Kellner, was du nicht willst.
Doch zu erwarten, dass ein paar gute Gedanken an das Universum abzuschicken die Lösung zu allem ist, bringt dich nicht weiter.
Das Leben ist nun mal komplexer als das. Und deshalb musst du dich früher oder später den Problemen in deinem Leben stellen und für deine Träume und Ziele, na ja, du weißt schon, eben etwas tun.
Leidest du unter negativen Gedanken?
Nichts beeinflusst dein Leben mehr als deine Gedanken. In meinem Ratgeber Mindset erfährst du deshalb, wie du negative Gedanken loswirst, alten Schmerz hinter dir lässt und besser mit Stress umgehst. Trage deine E-Mail Adresse ein und ich schicke dir den Ratgeber kostenlos als PDF zu.
- Fischer, H. (2006). The Drive to Love: Neural Mechanism for Mate Selection. The New Psychology of Love. Binghampton, N. Y. 2006.
- Hill, C. T. & Rubin, Z. & Peplau, L. A. (1976). Breakups Before Marriage: The End of 103 Affairs. Journal of Social Issues DOI: 10.1111/j.1540-4560.1976.tb02485.x
- Kappes, H. B., & Oettingen, G. (2011). Positive fantasies about idealized futures sap energy. Journal of Experimental Social Psychology, 47(4), 719–729.
- Das Interview auf Youtube
- Artikel in der Welt
- Jimmie Holland. The Human Side of Cancer: Living with Hope, Coping with Uncertainty (2001). Harper Perennial
- Emotional Well-Being Does Not Predict Survival in Head and Neck Cancer Patients: A Radiation Therapy Oncology Group Study (2007). Coyne, J. C.; Pajak, T. F., Harris, J.; Konski, A.; Movsas, B.; Ang, K. & Bruner, D. W. CANCER; Published Online: October 22, 2007 (DOI: 10.1002/cncr.23080); Print Issue Date: December 1, 2007.